Die Milliarden-Bitch - epd medien (2024)

28.06.2024 13:22

Rudolph Herzog, der Sohn von Regisseur Werner Herzog, hat für Sky den mysteriösen Fall der verschwundenen "Kryptoqueen" Ruja Ignatova aufbereitet. Die Doku "Kill Bitcoin!" ist grundsätzlich sehenswert, lässt das Publikum aber wegen zu vieler Akteure und eines kaum vorhandenen roten Fadens unbefriedigt zurück, urteilt Manfred Riepe.

epd Mehr als eine Million Anleger führte sie hinters Licht. Wie viele Milliarden Dollar sie dabei insgesamt einstrich, ist nur annähernd bekannt. Im Jahr 2017 verschwand die bulgarisch-deutsche Geschäftsfrau Ruja Ignatova spurlos - mit einem erheblichen Anteil der Beute. Eine Zeit lang listete das FBI sie als eine der zehn meistgesuchten Personen der Welt. Wurde die Leiche der mutmaßlich Ermordeten inzwischen im Mittelmeer versenkt? Oder hält sie sich "unter einem Schleier in Dubai" versteckt, wo sie den Schutz eines Scheichs genießt, in dessen Auftrag sie Geld für Terrororganisationen wäscht?

Rudolph Herzog, Sohn von Regisseur Werner Herzog, sucht in seiner Dokumentation, zu der er gemeinsam mit Raid Sabbah und Ira Tondowski auch das Buch verfasste, Antworten auf diese offenen Fragen. Der Dreiteiler, eine Koproduktion von Sky Deutschland und Channel 4, erzählt eine schier unglaubliche Geschichte, die schon vielfach erzählt wurde. Über Ruja Ignatova, die an der Universität Konstanz einen Doktorgrad erwarb, fließend Deutsch, Englisch, Russisch und Bulgarisch spricht und angeblich einen Intelligenzquotienten von 200 hat, gibt es nicht nur zahllose Artikel, sondern auch mehrere Dokumentationen. 2020 wurde sogar ein Kinofilm mit Kate Winslet in der Hauptrolle angekündigt. Allerdings ist unklar, ob dieser Film je gedreht wurde.

Mit einer vierteiligen dokumentarischen Serie für die ARD-Mediathek, die im November 2022 vorab auf Arte ausgestrahlt wurde, hat Johan von Mirbach gemeinsam mit dem SZ-Journalisten Philipp Bovermann das Thema bereits ausführlich durchdekliniert. Dabei hoben die Autoren hervor, dass die Kryptowährung Bitcoin, die seit Anfang der 2010er-Jahre zu einem schillernden Versprechen für Risiko-Kapitalanleger avanciert war, bei Ignatovas Geschäftsmodell nur als Köder fungierte. Der sogenannte OneCoin, den sie zahlreichen Anlegern verkaufte, war ein Fake. Ihren Anlegern gaukelte die Betrügerin vor, dass die Kurse dieser fiktiven Digitalwährung steigen würden.

Ignatovas OneCoin war nichts anderes als der alte Trickbetrug des Schneeballsystems. Jeder, der Anteile an vermeintlichen "Bildungspaketen" über OneCoin kaufte, wurde dadurch motiviert, im eigenen Bekanntenkreis weitere Kunden anzuwerben und dadurch Provisionen einzustreichen. Je mehr Anleger auf diese Weise hinzukommen, so das Versprechen, desto üppiger würden die Erlöse. Funktionieren können diese Systeme freilich nur so lange, wie der Schneeball den Berg hinunterrollt. Um Anleger entsprechend in Euphorie zu versetzen, half Ignatova mit einer medial ausgeklügelten PR-Strategie nach. Ihre Auftritte, bei denen ihr zuweilen Tausende Gläubige zujubelten, glichen denen eines Popstars.

Viele dieser Aspekte haben von Mirbach und Bovermann bereits beleuchtet. Einige Kronzeugen der ARD-Dokumentation - wie der Luxemburger Ex-Geheimdienstagent Frank Schneider, der als Ignatovas Berater arbeitete - kommen in der aktuellen Dokuserie noch einmal zu Wort. Herzog und seine Koautoren führen allerdings auch neue Aspekte an. Etwa, dass die betrügerische Marke OneCoin im vergangenen Jahr in das Anlegerportal OneEco umbenannt wurde. Über eine Million Kunden sollen hier seither schon wieder Geld investiert haben. Wie ist das möglich? Darüber hätte man gerne mehr erfahren. Ventislav Zlatkov, der neue CEO, stellt sich zwar der Kamera, gibt aber auf keine Frage eine substanzielle Antwort.

Der Dreiteiler "Kill Bitcoin! Die Kryptoqueen und ihr OneCoin-Betrug" ist sehenswert, hat aber ähnliche Schwächen wie die Dokumentation von Mirbach und Bovermann. In beiden Produktionen kommen zahlreiche ehemalige Mitarbeiter und Bekannte von Ignatova sowie Anwälte und Journalisten zu Wort. Um dieses verzweigte Geflecht aus Themen und Aspekten zu einer überschaubaren Geschichte zu strukturieren, arbeiten Herzog und seine Koautoren mit einer Zeitleiste. Doch auch damit gelingt ihnen kein wirklich stringenter Überblick über das Geschehen. In einem atemlosen Stakkato fügt die Dokumentation unterschiedliche Aspekte wie Anlagebetrug, die glitzernde Scheinwelt der Reichen, organisiertes Verbrechen, Geldwäsche und die investigative Arbeit ambitionierter Journalisten zu einem komplexen Mosaik zusammen.

Auch Rudolf Herzogs Dreiteiler lässt also die Zuschauer mit einem unbefriedigten Gefühl zurück. Das hängt damit zusammen, dass unübersehbar viele Akteure mit dubiosen Hintergrundgeschichten in den Betrug mittels einer fiktiven Kryptowährung verwickelt sind. Ein roter Faden ist nur zu erahnen. Beim Zuschauer entsteht so die Fantasie, dass Ignatova von ihrem Versteck aus möglicherweise ebenfalls zusieht und lächelt über all die Versuche, ihr auf die Schliche zu kommen.

infobox: "Kill Bitcoin! Die Kryptoqueen und ihr OneCoin-Betrug", dreiteilige Dokumentation, Regie; Rudolph Herzog, Buch: Raid Sabbah, Rudolph Herzog, Ira Tondowski, Kamera: Henning Brümmer, Brendan McGinty, Produktion: Tondowski Films, Dare Pictures (Sky/Channel 4, seit 27.6.24 und bei Wow)

Zuerst veröffentlicht 28.06.2024 15:22Letzte Änderung: 28.06.2024 15:24

Manfred Riepe

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KSky, Dokumentation, Herzog, Tondowski, Brümmer, McTinty, NEU

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