›Ye ‹ in: Deutsches Wörterbuch (¹DWB) (2024)

i, ih, ie, y, ye.

die aufstellung dieser mit ei sich berührenden, im plattdeutschen überall dafür eintretenden interjection (gr. 3, 301) wird durch den umstand erschwert, dasz unsere sogenannte deutsche druckschrift I und J nicht zu unterscheiden vermag. es bleibt daher nicht selten zweifelhaft, ob Ie als langes i oder als je zu fassen ist, welches letztere theils aus der diphthongischen schreibung der interjection durch verlegung des tons von i auf e sich entwickeln konnte (Steinbach 1, 809 hält diese aussprache des ie für sächsisch), theils aber auch als geschwächtes ja aufgefaszt werden kann. s. das erste je. besonders tritt diese unsicherheit ein, sobald die interjection sich mit nun verbindet, wo dann i nun, je nun, ja nun in ihrer bedeutung sich nahe berühren oder zusammenfallen. Vieldeutig wie ei, doch mehr der niederen rede als der schriftsprache angehörend, wird i von den älteren lexicographen und grammatikern, soweit sie es überhaupt aufstellen, verschieden erklärt. bei Diefenbach 197ᵃ entspricht es lat. eia, Maaler 509ᵇ verzeichnet y als 'indignantis particula', Schottel 667, wo man es antreffen sollte, führt es nicht auf, Stieler 883 nur nebenbei in verbindung mit freilich: ie freilich 'maxime'. auch bei Rädlein und Frisch fehlt die interjection, dagegen gibt ihr Steinbach 1, 801 die bedeutung des lat. eheu, hem und führt als beispiel an: ie! das hätte ich nicht gemeint 'hem! hoc non putassem'.Mhd. scheint î, obwohl belege kaum vorhanden sind, ausdrücke des unwillens und der verwunderung gesteigert zu haben. darauf deutet eine stelle bei Hugo v. Trimberg:

swer aller sprâche kraft wil haben,

der merke mit vlîʒe fünf puochstaben.

die sint sô wirdic und sô schœne

daʒ alle wort und alleʒ gedœne

nâch in gestimmet müeʒe sîn,

des heiʒet man sie die stimmerîn.

a hebt und endet des mannes leben,

e dem wîbes namen ist gegeben,

i tratzes (trotzes) und auch wunders pfligt,

u von im selber niht vil wigt,

o schricket, ruofet, wünschet, wundert.

Renner 22188.

demgemäsz wendet Gottfried v. Straszburg unwilliges, verwunderndes î in der frage an:

Tristan sprach 'merzî (gnade), bele Isôt!'

'î, übeler man', sprach Isôt, 'î,

unde vorderst dû merzî?

merzî gehœret niht ze dir'.

Tristan 10206.

Nhd. findet die interjection dieselbe verwendung, doch färbt sie dabei in mannigfaltiger abstufung bald entschiedener bald leiser den gedanken und wird, was ihren gebrauch betrift, in folgenden fällen und lagen angetroffen.

1)

gern tritt i vor den vocativ, um den anruf hervorzuheben: i lieber gott! i du gerechter himmel!; ie du diebischer kopf! hast du den dreck denn gar müssen vergessen? A. Gryphius Pet. Squ. 17; ie du tausend-engel, machstu meinen heutigen traum wahr? Chr. Weise polit. redn. (1679) 359; Jud. ie du schöner eidam! Phil. ie du freundlicher schwiegervater! maulaffe 43; ie herze frau gevatterin, wer wird sich denn flugs darauf besinnen? Schlampampe krankh. u. tod (1696) 2; ie du einfältiger tropf, wilstu mir nichts mehr sagen? 51; ie Anton, Anton, das ist ja eben der brief aus Berlin, welchen ich erwarte. Lessing 1, 296; ie Peter, so könntest du uns einen groszen dienst thun. 2, 394; ie du verdammter hundsfott von einem poeten! 2, 406; Laura. ie herr vater — Wumsh. ie jungfer tochter, schweig sie doch! 1, 379; ie herr wirth, wen bringen sie uns denn da? 1, 539 (Minna v. Barnh. 2, 8); ie mann, sagt ich, sei doch nicht arg! Miller Siegw. 1, 45. auch kann der ausruf über dritte personen ein solches i erhalten: i der seltsame mann!; Schlamp. (meine töchter) sprechen, sie müssen welche von adel sein, und solten sie kein hembde auf dem leibe behalten. Camill. ie die närrische dinger! Schlampampe krankh. u. tod 10.

2)

vermöge der analogie zwischen vocativ und imperativ tritt auch vor den letztern die interjection, mitunter von so begleitet: y lasz dir dz schnöd gält (geld) nit so lieb sein! Maaler 509ᵇ; ie sich (sieh) doch! es verlohnte sich .. Chr. Weise erzn. 228; ie fahre, galgenvogel, fahre und schmeisz da ehrlicher leute kinder um! Schlampampe leben 95;

st! siehst du, sprach das licht, dort die raquete steigen?

ie denkt doch! ie wie hoch! wahrhaftig, das läszt schön!

Stoppe neue fabeln (1740) 1, 87;

O. u. F. kost ihn (den wein) selbst! St. ie reicht nur her! Gotter 3, 485; ie so gehe und komme mir nimmermehr vor meine augen wieder, du gottloses kind! Schlamp. kr. u. tod 21; ie so zweifle, du verzweifelter zweifler! Lessing 1, 493. und ebenso kann i vor den optativ treten: y behüt uns got! waʒ sagen ir nun? Ulenspiegel (Lapp.) 133.

3)

alle fragwörter können denselben nachdruck erhalten: i wer kommt uns da entgegen?; i wer wirds denn dém auf die nase binden? Kotzebue dram. sp. 2, 51; i was soll ich dir mehr sagen, potz schlapperment! newe zeitung von Berlin (1614), s. histor. genealog. kalender (1821) 18; ie was zum henker? bistu es denn oder bist du es nicht? Schlampampe kr. u. tod 25; ie was schadet es, wenn er auch was schuldig ist? Lessing 2, 402; ie! sprach sein freund, was fehlt dir? Göckingk 2, 204; i warum nicht gar?; ie wie so? ie wie denn so? Schlampampe leb. 96; mir? ie wofür denn? hab ichs nicht recht gemacht? Gotter 3, 323.Doch wird auch ohne diese wörter frage und ausruf durch i hervorgehoben:

ach leben, bistu todt? ie kann denn gott sich enden,

der anfang anfangslos, das end ohn end und wenden?

Fleming 12 (Lapp. 1, 24);

ihr ganz vergälltes volk, ihr gar verstockter sinnen,

noch thierischer als thier, ie werdet ihr nur künnen

erkennen eure schuld?

13 (Lapp. 1, 25);

M. Loll. verstehet ihr euch aufs calendermachen, so sehet doch, ob der monde scheinen wird. P. ie sollte ich das nicht können! lustig, lustig, ihr herren! der mond wird gewiss scheinen, wenn wir spilen werden. A. Gryphius P. Squenz 6 (1, 722); ie schämet ihr euch denn nicht für dem könige? 23; ie ist das nicht eine plappertasche, die Camille? Schlampampe krankh. u. tod 42; ie sollten sie denn den kleinen mann nicht kennen? Lessing 1, 255.

4)

an dieses frage und ausruf begleitende i reiht sich dasjenige, welches behauptungen, berichtigungen, zugeständnissen, bekräftigungen nachdruck gibt: i ja wohl, das ist so! i das versteht sich!; der junker fragte Hansen ganz ernstlich, ob es nicht wahr wäre? ie ja, junker, freilich ist es wahr. gepflückte finken (1667) 281; 'das buch hat den prinzessinnen recht wohl gefallen'. ie ja! das buch ist ganz gut. Rabener 6, 222; Joh. ein atheist ist nichts weiter, als ein mensch, der keinen gott glaubt. Mart. keinen gott? ie, das ist ja noch viel ärger. Lessing 1, 413; ie, das ist ja gar, mit ehren zu melden, ein betrieger. 1, 496; was? was? mein vetter? ie, dem sein schiff ist ja untergegangen, madame. 2, 384; die frau doctorin und ich brachten sie in einer kutsche nach hause? 'in einer kutsche! warum?' .. ie, sie lag ja in einer ohnmacht, die arme frau! Engel (Lor. Stark) 12, 296; sie scheinen, lieber freund, den sinn meines gedichts (sagt W.) gefaszt zu haben, es hat sie fast zu sehr angegriffen. nehmen sies nicht übel, sagte H., dasz ich meinen empfindungen so freien lauf lasse. i (erwidert W.), es ist ja auszerordentlich schmeichelhaft für mich! Tieck schr. 15, 239; ie da hätte ich mich doch zu tode geschämet! Schlampampe krankh. u. tod 5; Cyr. o, mein einig zahn! vertragen wir uns lieber in der güte mit einander! Sempron. ie, meinethalben! was haben wir auch sonsten vor? A. Gryphius Horribilicr. (1665) 84;

erster jäger. was? der blitz!

das ist ja die Gustel aus Blasewitz.

marketenderin. i freilich! und er ist wohl gar, musjö,

der lange Peter von Itzehö?

Schiller 321ᵃ.

Ebenso aber auch ablehnungen und leugnungen:

bistu derjenig geist, der hie herumb sol sein,

so mach dich fluchs (flugs) von mir zur tiefen höll hinein! echo. ie nein!

Hanmanns anmerkungen 199;

'hm!' fiel ihr jener in die rede,

'wenn dirs an geld gebricht' —

ie, das nicht! doch ...

Göckingk 3, 83.

ablehnung liegt auch in den formelhaften ellipsen: i bewahre! i behüte! i lieber gar!, und ironisch zu nehmen ist: i das wäre schön! = das könnte mir gefallen, daraus wird nichts! oder auf fragen wie: du meinst, ich würde morgen damit fertig? die antwort i já doch! = keineswegs, das ist gar nicht möglich!

5)

besonders wirksam leitet unwilliges i verwünschungen und flüche ein: i zum donnerwetter! i hols der teufel!; ie der verfluchte brief! Lessing 1, 287; ie verflucht! 2, 389; ie verflucht! schrie er, wenn hat jemals eine fee diejenigen, die sie in ihren schutz genommen hat, .. halb todt prügeln lassen? Wieland 12, 14; ie zum henker! so warten sie noch einen augenblick! Lessing 2, 368; ie zum henker, schrie Pedrillo, indem er sich von ihm los risz, sind sies, herr? reitet sie denn der teufel, dasz sie mich mit aller gewalt erdrosseln wollen? pestilenz! man ist ja seines lebens nicht bei euer gnaden sicher! wie? was ist das? rief don Sylvio ganz bestürzt, bist du es Pedrillo? ie zum wetter! wer soll ich sonst sein? Wieland 11, 185.

6)

i in ausdrücken der verwunderung, des staunens, der befriedigung und freude. manche der bisher aufgeführten belege hätten für diesen fall gespart werden können. doch sollen hier nur beispiele gegeben werden, in denen die ebengenannte anwendung der interjection besonders hervortritt: Vansen. willst du einen aufruhr erregen, wenn sie ihn (Egmont) gefangen nehmen? Jetter. ah! Vansen. wollt ihr eure rippen für ihn wagen? Soest. eh! Vansen (sie nachäffend). ih! oh! uh! verwundert euch durchs ganze alphabet. Göthe 8, 244; D. sie war so krank. W. ah! D. höchst gefährlich krank. W. eh! D. wir fürchteten einige tage für ihr leben. W. ih! Klinger 9, 123; L. ergebenster diener, herr Riepel .. R. i! hat man doch lange nicht die ehre gehabt, sie zu sehen. J. Chr. Barth galante ethica (1748) 118; ie, guten morgen, herr don Sylvio, schrie ihm dieser entgegen, sobald er ihn erblickte, leben sie auch noch? Wieland 12, 329; ie, unvermuthete freude! herr Paul Werner! willkommen bei uns, willkommen! Lessing 1, 549;

nun ein knikschen! — i!

wie mirs kracht im knie!

L. Ph. Hahn ged. 53.

formelhafte wendungen, welche hierher gehören, sind: i der tausend! i sehen sie mal! i guck einer! u. dergl. zuweilen gesellt sich nein zu diesem i, um erstaunen oder freude des sprechenden, der was er sieht oder hört unglaublich findet, noch mehr hervorzuheben: i nein! was du sagst!; ie nei! ie nei! ie, ie, ie was schüne leute hots hie, ie nei! A. Gryphius gel. dornrose (1661) 8, vgl. Palm 51, 1. auch leitet i antworten auf fragen ein, die der befragte seltsam findet, da sie sich für ihn von selbst beantworten: Lelio. wenn du als freund an mir handeln wolltest, so würdest du mir lieber einen rath geben, wie ich etwan diese unglückliche heirath hintertreiben könnte. Klit. wie so? Lelio. ie, meine erbschaft geht damit zum teufel. Lessing 2, 398; Selt. Lisette, lasz uns doch auch von unsrer sache etwas reden. Lis. was ist das vor eine sache? Selt. ie, unsre sache — Lis. ich weisz nicht, was sie wollen. Selt. ie närrchen — Lis. ha! ha! aus dem närrchen merke ich bald was es sein soll. 2, 439; 'nun, wovon denn?' ie, vom kloster und dergleichen. Miller Siegw. 1, 25.

7)

weniger bestimmt ist die bedeutung von i, wenn es mit nu oder nun verbunden wird, wobei, was schon erwähnt wurde, vermischung mit je nun und ja nun eintritt und nicht zu entscheiden ist, ob i nun oder je nun vorliegt. im allgemeinen kann sich so ausdrücken, wer zurückhaltend redet oder, 'da die sache nun einmal so liegt', widerstrebend etwas einräumt, hingehen läszt oder auf etwas eingeht. auf dieses zurückhaltende i beziehen sich auch wohl Logaus verse (1, 7, 57), wenn er mit ähnlichem vocalspiel wie H. v. Trimberg sagt:

a ist derer die nicht wollen.

e ist derer die nicht sollen.

i ist derer die da zagen.

o ist derer die da klagen.

u ist derer die da plagen.

zurückhaltung liegt in dem ausdruck in folgenden stellen: Maskarill. sein väterliches haus war ihm zu grosz — zu klein, zu leer — zu enge. Anselmo. zu grosz, zu klein; zu leer, zu enge. was heiszt denn das? Maskarill. ie nun! sie werden es von ihm selbst besser hören können, wie das alles ist. Lessing 1, 493; ew. gnaden kennen den meister Erich nicht? (lächelnd und verschämt) i nu — das ist so zu sagen die karbatsche. Kotzebue dram. sp. 2, 141. einräumung, hingehenlassen in diesen: ye nu, wein (sagt die mutter zum kinde) das dich der teufel holen müste. Ulenspiegel 142; ie nu, wenn es so sein sol. Chr. Weise comöd. 327; frau Oront. gefangen waren sie! so ein unvernünftiger mann; wenn man ihm einen finger giebt, nimmt er die ganze hand! Ohldinn. ie nu — wie gott will. frau Oront. behüts gott! sie werden doch das nicht thun! Lessing 2, 390. bisweilen tritt dabei der widerspruch stärker hervor, so dasz i nun soviel wie ich gebe das zu, entgegne aber bedeutet: Mich. St. ohne das (ohne glück) kann man nicht einmal ein guter spitzbube sein. Mart. Kr. ie nu, wenn ichs beim lichte besehe, so sind wir kaum dadurch auf ein paar tage länger dem stricke entgangen. Lessing 1, 304;

ich warf dem Mison vor, dasz ihn so viele hassen!

'ie nun! wen lieb ich denn?' sprach Mison ganz gelassen.

1, 13;

und eine frau ist ohnedem ein lamm.

'ein lamm? du magst die weiber kennen'.

ie nun, man kann sie doch in so weit lämmer nennen,

als sie von selbst ins feuer rennen.

1, 117;

i nu, damals war ich auch in sie verliebt. Kotzebue dram. sp. 2, 198. baare ablehnung aber liegt darin, wenn nu (nun) verdoppelt wird: ie nu nu, das todtschlagen kömmt doch nicht an uns. Chr. Weise comöd. 195, während i nu ja! (Lessing 2, 389) i nun ja! i nu freilich! i nun freilich! (Kotzebue dram. sp. 3, 195) je nach der beziehung beharren auf der eigenen meinung oder billigung der entgegenstehenden anzeigt.

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